Module der Pflegegrade
In den Begutachtungsrichtlinien wird ein vier-stufiger Prozess beschrieben, um zur Empfehlung eines Pflegegrad zu kommen. Dritter Schritt ist die Beschreibung wie weit die Selbstständigkeit der Antragstellenden noch vorhanden ist. Dazu werden die Verrichtungen des Alltags in acht Module eingeteilt.
Nur die Module 1 bis 6 werden für die Ermittlung der Pflegegrads berücksichtigt. Dabei beeinflusst dass Modul 4: Selbstversorgung das Endergebnis mit 40% am stärksten (§15 SGB XI (2) ⇗).
Diese Module wiederrum sind in Merkmale unterteilt. Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse der Module 1 bis 6 sind unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Modul 1 | Mobilität
„Die Einschätzung richtet sich ausschließlich danach, ob die Person in der Lage ist, ohne personelle Unterstützung eine Körperhaltung einzunehmen/zu wechseln und sich fortzubewegen. Zu beurteilen sind hier lediglich Aspekte wie Körperkraft, Balance, Bewegungskoordination etc. und nicht die zielgerichtete Fortbewegung. Hier werden nicht die Folgen kognitiver Beeinträchtigungen auf Planung, Steuerung und Durchführung motorischer Handlungen abgebildet.“ (BRi, Abschnitt 4.9.1)
Merkmale diesem Bereich
📎 Positionswechsel im Bett
📎 Halten einer stabilen Sitzposition
📎 Umsetzen
📎 Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs
📎 Treppensteigen
(siehe auch: Besondere Bedarfskonstellationen)
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Nötige Hilfen bei Aktivitäten außerhalb der Wohnung gehen „nicht in die Ermittlung eines Pflegegrades ein“. (BRi, Abschnitt 4.11.1)
Auch in diesem Bereich geht es immer darum, ob personelle Hilfe erforderlich ist. Wer bei jedem Gang durch die Wohnung sturzgefährdet ist, könnte jedes mal von einer Pflegeperson begleitet werden. Vielleicht reicht es aber aus einen Rollator zu nutzen, um der Sturzgefahr zu begegnen. Vielleicht sind auch eMobil oder Rollstuhl passende Hilfsmittel. Dann muss eine Pflegeperson oft noch nicht einmal beim Umsetzten zwischen Sofa und Gefährt unterstützen. Scooter oder eMobile können in Wohneinrichtungen zu Problemen mit der Hauswirtschaft und/oder Mitbewohner*innen führen. (rhw, 2018)
Praxisbeispiel
In vielen Häusern und Wohnungen müssen Umbaumassnahmen die Voraussetzungen schaffen, damit Menschen die Wohnung überhaupt verlassen können. Und dann?
Das Angebot an Mobilitätshilfen wird von Jahr zu Jahr umfangreicher. 2019 habe ich in der Fußgängerzone in Essen (also in der Wirklichkeit, nicht nur im Werbefilm) erstmals eMobile gesehen, die auf geringes Gewicht optimiert sind. Wer mit wenig Stoßdämpfung klar kommt und viel Sitzstabilität mitbringt, könnte an einem Moving Star ⇗ Interesse haben. Es gibt bestimmt andere Anbieter mit ähnlichen Gefährten. (Wie viel vom Kaufpreis Ihre Krankenkasse übernähme, ist eine Einzelfallentscheidung. Das müsste vor dem Kauf geklärt werden.)
Dies ist ein weiteres Beispiel, um die Bedeutung von Pflegeberatung zu unterstreichen. Es ist wirklich schwierig bei den vielen Neuerungen der Hilfsmittelangebote den Überblick zu behalten. Lassen Sie sich von Profis helfen.
Modul 2 | Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Hier geht es vor allem um die Möglichkeiten zu „Erkennen, Entscheiden oder Steuern etc. und nicht die motorische Umsetzung ... [teilweise] sind auch die Auswirkungen von Hör-, Sprech- oder Sprachstörungen zu berücksichtigen.“ (BRi, Abschnitt 4.9.2)
Merkmale diesem Bereich
📎 Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld
📎 Örtliche Orientierung
📎 Zeitliche Orientierung
📎 Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen
📎 Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen
📎 Treffen von Entscheidungen im Alltag
📎 Verstehen von Sachverhalten und Informationen
📎 Erkennen von Risiken und Gefahren
📎 Mitteilen von elementaren Bedürfnissen
📎 Verstehen von Aufforderungen
📎 Beteiligen an einem Gespräch
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Modul 3 | Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
„In diesem Modul geht es um Verhaltensweisen und psychische Problemlagen als Folge von Gesundheitsproblemen, die immer wieder auftreten und personelle Unterstützung erforderlich machen.“ (BRi, Abschnitt 4.9.3)
Merkmale diesem Bereich
📎 Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten
📎 Nächtliche Unruhe
📎 Selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten
📎 Beschädigen von Gegenständen
📎 Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen
📎 Verbale Aggression
📎 Andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten
📎 Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen
📎 Wahnvorstellungen
📎 Ängste
📎 Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage
📎 Sozial inadäquate Verhaltensweisen
📎 Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen
Um den Umfang des Hilfebedarfs zu beurteilen, muss hier ermittelt werden, wie häufig die genannten Verhaltensweisen auftreten. Um auf solche Fragen vorbereitet sein, kann es sinnvoll sein, über mehrere Tage eine Strichliste zu führen (VdK 2017d, Seite 15).
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Modul 4 | Selbstversorgung
In diesem Bereich geht es im Wesentlichen um das, was bei der Einstufung in Pflegestufen als grundpflegerische Versorgung bezeichnet wurde: Körperpflege, Kleiden, Essen, Trinken, Urin– und Stuhlausscheidungen.
„Zu bewerten ist, ob die untersuchte Person die jeweilige Aktivität praktisch durchführen kann. Es ist unerheblich, ob die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit aufgrund von Schädigungen somatischer oder mentaler Funktionen bestehen oder ob Teilaspekte bereits in anderen Modulen berücksichtigt worden sind.“ (BRi, Abschnitt 4.9.4)
Merkmale diesem Bereich
📎 Waschen des vorderen Oberkörpers
📎 Körperpflege im Bereich des Kopfes
📎 Waschen des Intimbereichs
📎 Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare
📎 An- und Auskleiden des Oberkörpers
📎 An- und Auskleiden des Unterkörpers
📎 Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken
📎 Essen
📎 Trinken
📎 Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls
📎 Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma
📎 Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma
📎 Ernährung parenteral oder über Sonde
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Das Modul 4: Selbstversorgung beeinflusst das Endergebnis mit 40% am stärksten (§15 SGB XI (2) ⇗).
Tipp: Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat im Herbst 2017 „entschieden, dass die Krankenkasse das Anlegen eines Stützkorsetts als Leistung der häuslichen Krankenpflege gesondert vergüten muss. Es handelt sich dabei nicht um eine Grundpflegeleistung der Pflegekasse.“
Modul 5 | Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Hier wird der Hilfebedarf erfasst. Es „sind alle ärztlich angeordneten Maßnahmen nach Art und Häufigkeit aufzunehmen, auch wenn sie nur vorübergehend, d. h. für weniger als sechs Monate, erforderlich sind und deshalb nicht in die Bewertung eingehen ... Anzugeben sind Art (physikalische Therapie, Ergotherapie, Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, podologische Therapie), Häufigkeit (wie oft pro Woche oder – wenn seltener – pro Monat) sowie ggf. die Dauer der Heilmittelversorgung. Es ist anzugeben, ob die Person die therapeutische Praxis selbständig oder in Begleitung aufsucht oder ob die Therapeutin bzw. der Therapeut zur Behandlung ins Haus kommt ... In die Bewertung gehen nur die ärztlich angeordneten Maßnahmen ein, die gezielt auf eine bestehende Erkrankung ausgerichtet und für voraussichtlich mindestens sechs Monate erforderlich sind. Die ärztliche Anordnung kann sich auch auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente oder äußerliche Anwendungen oder Übungsbehandlungen beziehen. Zu bewerten ist, ob die Person die jeweilige Aktivität praktisch durchführen kann. Ist dies nicht der Fall, wird die Häufigkeit der erforderlichen Hilfe durch andere Personen dokumentiert. Es ist unerheblich, ob die personelle Unterstützung durch Pflegepersonen oder Pflege(fach-)kräfte erfolgt, und auch, ob sie gemäß § 37 SGB V verordnet und abgerechnet wird.“ (BRi, Abschnitt 4.9.5)
Merkmale diesem Bereich
📎 Medikation
📎 Injektionen
📎 Versorgung intravenöser Zugänge (z. B. Port)
📎 Absaugen und Sauerstoffgabe
📎 Einreibungen oder Kälte- und Wärmeanwendungen
📎 Messung und Deutung von Körperzuständen
📎 Körpernahe Hilfsmittel
📎 Verbandswechsel und Wundversorgung
📎 Versorgung mit Stoma
📎 Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden
📎 Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung
📎 Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung
📎 Arztbesuche
📎 Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu drei Stunden)
📎 Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als drei Stunden)
📎 Einhaltung einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Modul 6 | Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
„Zu bewerten ist, ob die Person die jeweilige Aktivität praktisch durchführen kann. Es ist unerheblich, ob die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit aufgrund von Schädigungen somatischer oder mentaler Funktionen bestehen oder ob Teilaspekte bereits in anderen Modulen berücksichtigt worden sind.“ (BRi, Abschnitt 4.9.6)
Merkmale diesem Bereich
📎 Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen
📎 Ruhen und Schlafen
📎 Sichbeschäftigen
📎 Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen
📎 Interaktion mit Personen im direkten Kontakt
📎 Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden für die Merkmale Punkte vergeben, die Teilergebnisse aus den Modulen werden unterschiedlich gewichtet und dann zu einem Gesamtergebnis addiert. Aus dieser Wertung errechnet sich der Pflegegrad.
Modul 7 | Außerhäusliche Aktivitäten
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden die Teilergebnisse aus den Modulen 7 und 8 nicht berücksichtigt.
Modul 8 | Haushaltsführung
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden die Teilergebnisse aus den Modulen 7 und 8 nicht berücksichtigt.
Quellen:
– Begutachtungsrichtlinien (BRi)
– LSG Niedersachsen, 2017, PM vom 6. November 2017
– rhw Management (Fachzeitschrift für die Hauswirtschaft), 2018
– VdK, 2017d: Pflegebedürftig? - Tipps für die Pflegebegutachtung bei Erwachsenen ⇗
[ausführliche Quellenangaben]