Nachrichten aus der Pflege | 28. Februar 2018
Erwin Rüddel (MdB, CDU) hat in den vergangenen Jahren viel dafür getan dass die Nöte Pflegebedürftiger mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Er ist auch immer wieder mit den Interessenvertretungen der beruflich Pflegenden aneinander geraten. Ein Eintrag von ihm auf Twitter hat einen Sturm der Entrüstung bei Pflegeprofis ausgelöst.
Kommentar:
Politik handelt konsequent ...
In Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanter Pflege ist seit Jahren zu hören, dass die Pflege unterfinanziert ist und die Verhältnisse Jahr für Jahr schlechter werden. In der Altenpflege gilt der Beginn der Pflegeversicherung, in den Krankenhäusern gilt die Einführung der DRGs (zum Artikel in der Wikipedia) als Wendepunkt zum Schlechten. Konsequent ist die Parteipolitik seit Jahren und Jahrzehnten höchstens darin, den Pflegenotstand zu ignorieren. Erwin Rüddel immer mittenmang.
Besonders hervorgetan hat sich der pflegepolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion 2016/2017. Über zehn Jahre war es in zähen Verhandlungen zwischen Wissenschaft, Parteien, Wohlfahrtsverbänden, Berufsverbänden, Bund und Ländern gelungen einen Kompromiss zur Ausbildung der Pflegefachberufe zu finden. Diese Reform ist schon seit dem letzten Jahrhundert überfällig. Das Verhandlungsergebnis, Überschrift: »Generalistik« (zu den Themenseiten des Deutschen Pflegerats), hätte im Bundestag nur noch abgenickt werden müssen. Caritas, Diakonie, Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK Video), ... verbanden mit der gemeinsamen Ausbildung die Hoffnung auf deutlich mehr Anziehungskraft der Pflegefachberufe für junge Leute. Es wäre auch zu erwarten gewesen, dass die Gehälter für Pflegefachkräfte in der Altenpflege deutlich steigen.
Dann kam Erwin Rüddel. Ihm gelang es die wesentlichen Punkte der Reform zu verwässern und ausgehandelte Regeln zur Umsetzung auszuhebeln. Kurz vor Schluss beschloss der vorige Bundestag dann ein Gesetz, von dem niemand weiß, wie es umzusetzen sein könnte. Rüddels konsequentes Handeln für den Erhalt des Status quo scheint ihm aber Erfolg genug; seit dem ist von ihm zum Thema Pflegeausbildung nichts substantielles mehr zu lesen gewesen.
Die Scherben seiner Lobbyarbeit sollen wohl andere aufsammeln.
Pflegende fangen an gut über die Pflege zu reden ...
Diese Forderung von Erwin Rüddel ist all denen, die sich seit Jahren auf verschiedenen Social Media Plattformen für Verbesserungen der Situation einsetzen, sauer aufgestoßen. Wer sich im Rahmen von „Pflege am Boden“ auch den Passanten zu Füßen legt, muss in Rage kommen: Ist etwa die öffentliche Kritik an gefährlichen Zuständen die Ursache für die fehlende Attraktivität der Pflegeberufe? Sind wir selbst schuld am Personalmangel und der Untätigkeit der Parteipolitik?
Ungläubiges Staunen, Wut und ein Hauch von Verzweiflung brachten mehr als 28000 Tweets hervor, die mit #twitternwierueddel gekennzeichnet waren. Auch 25 Tage nach dem ursprünglichen Post wird weiter zum Thema geschrieben. Obwohl 280 Zeichen nur kurze Nachrichten erlauben, ist vieles zu lesen, was betroffen macht. Beispiele:
„Wenn Du morgens um 7 Uhr die liebe alte Dame auf der Toilette sitzend findest, weil die Nachtschwester ihr um 2:08 Uhr gesagt hat, sie komme gleich wieder. Und sie es vor lauter Arbeit vergessen hat.“
„Trend: Immer mehr Pflegeheime werden an Investoren verkauft mit gravierenden Folgen. Claus Fussek: Altenpflege nicht internationalen Investmentfonds überlassen - 'Niemand käme auf die Idee, das mit Schulen oder Kindergärten zu machen'“.
„Es gibt Studien, die zeigen: Wird mehr #Pflegepersonal eingestellt, dann gibt es weniger Hygieneprobleme. #Mindestpersonalschlüssel könnten helfen, aber dann müsste im #Gesundheitsausschuss mehr für die #Pflege laufen als #twitternwierueddel.“
Die Zeit empfiehlt: produziert Dieselmotoren um von der Politik wahrgenommen zu werden.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) schreibt: Unter #twitternwierueddel „berichten Pflegende aus allen Bereichen mit bitterem Sarkasmus über den eigenen realen Arbeitsalltag, fernab von jeder Political Correctness. Polemisch wird, wer vorher ignoriert und nicht gehört wird. Die Kolleginnen und Kollegen machen öffentlich, was sie tagtäglich erleben. Und nur mit Ironie ist der Arbeitsalltag für sie noch zu ertragen. Längst vertrauen viele nicht mehr der Politik. Vor den Folgen der kontinuierlich verfehlten Gesundheits- und Pflegepolitik wurde unsererseits seit Jahren gewarnt. Als DBfK erwarten wir von einer neuen Bundesregierung rasches und konsequentes Handeln. Als Berufsverband der Pflegeberufe fordert der DBfK, die Arbeitsbedingungen und die Personalausstattung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar zu verbessern.
Wir fordern auf, Zeit zu investieren, die Tweets Pflegender zu lesen und Konsequenzen daraus zu ziehen.“
Georg Paaßen
PS: Im Koalitionsvertrag werden 8000 zusätzliche Stellen für Pflegefachkräfte in Altenheimen versprochen. Erwin Rüddel wurde von der CDU/CSU Bundestagsfraktion des Bundestags zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschuss bestimmt. Er fand es unnötig die Frage, wie diese 8000 Stellen finanziert und eingerichtet werden sollen, zu den Sitzungen am 21. oder am 28. Februar auf die Tagesordnung zu setzen. Auch bei anderen Gelegenheiten ist zur Umsetzung dieses Versprechens nichts Konkretes oder Konsequentes zu lesen.
„'Keine Zeit für Menschlichkeit'- Fast 3.000 #Pflegekräfte aus Kliniken haben @zeitonline und #reportmainz ihren Alltag geschildert. Aus ihren Worten spricht Frustration, Wut und Verzweiflung: Wo bleibt der Aufstand?“, Artikel auf www.zeit.de vom 27. Februar 2018.
Es regiert der Wahnsinn, Artikel auf www.spiegel.de vom 15. Februar 2018.
Land ohne Pfleger, Artikel auf www.sueddeutsche.de vom 15. Februar 2018.
#twitternwierueddel: Pflegekräfte führen CDU-Politiker auf Twitter vor, Artikel auf www.faz.net vom 6. Februar 2018.
Der Hashtag, der innerhalb von Stunden viele mobilisiert hat, Pressemitteilung des DBfK vom 6. Februar 2018.
Eine Auswahl von weiteren Zitaten auf www.careslam.org: #twitternwierueddel oder wenn ein Politiker die Pflegenden unterschätzt, Blogeintrag vom 5. Februar 2018.
Weitere Suchergebnisse zu #twitternwierueddel, mit Fundstellen in Abendzeitung, Bento, Der Westen, Focus, Merkur, Neues Deutschland, SWR3, Stern, Tagesspiegel, Wirtschaftswoche, ze.tt ...
Jens Spahn und die Pflege, unser Beitrag zu Ideen des Gesundheitsministers zur Pflege (3. April 2018).
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